Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Forschungen zeigen, dass die Zufriedenheit der Partner mit ihrer Liebesbeziehung in den ersten drei Jahren nach der Geburt eines Kindes rapide abnimmt. Es betrifft 67 % aller Paare - mit einem dramatischen Höhepunkt im 1. Jahr Lebensjahr des Kindes. Es gilt übrigens absolut nicht nur für Eltern, für die die Schwangerschaft konfliktvoll war, auch Paare, für die das Kind im richtigen Moment kommt, sind genauso betroffen.
Wie passt das zusammen mit der Freude auf das Kind, mit dem Kinderwunsch, den viele Paare bis ins Innerste fühlen und mit dem Glück, dass sie erleben, wenn das Kleine endlich da ist? Beide Realitäten stimmen: Es ist für viele Paare äußerst beglückend, ein Kind zu bekommen und sie haben von ganzem Herzen die Absicht, alles zu tun, um diesem Kind lebenslang ein gutes Zuhause zu bieten. Auf der anderen Seite ist es eine Tatsache, dass das Leben mit einem Baby mit viel Anstrengung, ganz neuen, hoch emotionalen Erfahrungen und vielen Veränderungen im Leben der Partner verbunden ist.
In diesem Buch haben Sie schon viel darüber gelesen, wie sich die Schwangerschaft auf die Schwangere und ihren Partner auswirkt: Sie beeinflusst ihre Identität, verschiebt Rollen, konfrontiert Bilder, die beide über ein Kind und das Zusammenleben mit ihm haben, verändert oft auch ganz konkret die Lebensumstände. Alles wird anders, jeder wird ein bisschen anders. Die innere und äußere Welt kommt in Bewegung und braucht Zeit und Aufmerksamkeit, um wieder ins Lot zu kommen.
In diesem Artikel schauen wir uns die Folgen der Elternschaft auf Ihre Paarbeziehung an. Und natürlich: wie Sie Ihre Partnerschaft durch das Auf und Ab der ersten Jahre mit Ihrem Kind lotsen und zu den 33 % der Paare gehören können, die ihre Liebe dabei erhalten und vielleicht sogar verstärken.
Wir zwei – noch ohne Kind
Die Partnerschaft vor dem ersten Kind ist meistens gekennzeichnet durch 1-2 Jahre von intensivem Zusammensein, einander kennenlernen, einer lebendigen Sexualität. Sie sind verliebt! Es gibt viel miteinander zu besprechen, Sie bekommen nicht genug davon, beieinander zu sein, einander zu berühren, Liebe zu machen. Irgendwann ist es deutlich: Wir wollen beieinander bleiben. Sie sind bereit, sich an diesen Menschen zu binden und sehen eine positive Zukunft vor sich. Vielleicht ziehen Sie zusammen oder heiraten – auf jeden Fall wird es ‚ernst‘. Die Verliebtheit wird Liebe. Sie spüren: Dieser Mensch mag mich wirklich, ich kann bei ihr oder ihm so sein, wie ich bin. Sie beide fühlen sich emotional sicher. Das Band zwischen Ihnen fühlt sich stabil und stark an.
Diese Beschreibung ist sicher vereinfacht, auf jeden Fall gilt sie nicht für alle Fälle. Menschen, Paare und ihre Lebensumstände sind natürlich immer anders. So gibt es auch hetero- und homosexuelle Eltern, lesbische Eltern, nicht-biologische Eltern, Patchworkfamilien etc. Hoffentlich gelingt es Ihnen trotzdem, die Ausführungen zu nutzen und sie auf Ihre persönliche Situation zu übersetzen.
Wir zwei – mit Kind
Ein Kind macht aus einer Zweierbeziehung eine Dreierbeziehung. Die Art und Weise, wie Sie Ihre Zweierbeziehung gestaltet haben, funktioniert auf jeden Fall nicht mehr. Da gibt es jemanden, der viel Zeit und viel Raum braucht. Ein Kind ist abhängig und verletzlich, es braucht sehr viel Fürsorge, Energie und steht auf einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ein Baby haben bedeutet wenig Schlaf, Allzeitbereit sein, die eigenen Bedürfnisse zurückstellen. Der ganze Tag organisiert sich um den Rhythmus des Kindes. Vieles, was früher im Haushalt einfach und selbstverständlich war, bleibt liegen. Oft reagieren Männer und Frauen unterschiedlich auf das Baby. Meistens richtet sich die Mutter intensiv auf die Versorgung des Kindes. Sie ist erst einmal ganz und gar ‚Mutter‘. Auch wenn heutzutage viele Frauen erwerbstätig sind, doch ist es noch immer üblich, dass die Mutter – sicher am Anfang – die meisten Betreuungsaufgaben übernimmt. Oft mit der Folge, dass ihre Mutterschaft gefühlsmäßig ‚nie aufhört‘ und es nicht verwunderlich ist, wenn sie sich bald heillos überfordert fühlt. Viele Männer sind durch die Vaterschaft besonders motiviert, für das finanzielle Wohlbefinden der Familie zu sorgen. Sie stürzen sich auf die Arbeit und die Karriere. Gleichzeitig wünschen sich heutzutage immer mehr junge Väter ein emotionales Band mit ihrem Kind. Manchmal sind sie enttäuscht, weil das Kind anfangs so stark auf die Mutter reagiert. Es kann sein, dass sich der Partner, der weniger Zeit mit dem Kind verbringt, außen vor fühlt. Der früher so selbstverständliche Kontakt zwischen den Partnern mit Freiräumen zum Ausgehen, sich Ausruhen, in Ruhe miteinander sprechen und Zeit für Sex zu haben verringert sich dramatisch.
Die Liebesbeziehung unter Druck
Was passiert mit einem Paar, das in Stress gerät? Das emotionale Band zwischen beiden wird dünner. Wenn die Stabilität des Liebesbandes früher auf einer Skala von 1-10 mindestens eine 8 war, schwankt sie jetzt zwischen 5-7. Sandra und Paul sind so ein Paar. Sie lieben sich eigentlich, sie sind eigentlich auch sehr glücklich mit ihrem kleinen Lars, aber irgendwie stapeln sich die Missverständnisse und Unzufriedenheit auf. Sie fangen an zu streiten und damit wird alles nur noch schlimmer. Sandra findet, dass Paul zu wenig zum Haushalt beiträgt. Wenn er abends nach Hause kommt, will sie ihm Lars am liebsten in den Arm drücken, sie ist ja den ganzen Tag mit ihm beschäftigt. Sie findet es unglaublich, dass Paul darauf besteht, abends zum Sport zu gehen. Ist ihm alles egal? Wo ist seine Einfühlsamkeit geblieben? Paul arbeitet viel und ist müde. Wenn er in Sandras vorwurfsvolle Augen guckt, fühlt er sich schlecht. Ein Teil von ihm möchte am liebsten nicht nach Hause kommen. Er versteht seine eigene Welt nicht mehr. Er liebt Sandra doch und auch den kleinen Lars? Aber irgendwie erlebt er die beiden wie eine Einheit. Und er hat da eigentlich keinen Platz. Ist er nur gut genug, das Geld nach Hause zu bringen und sich um den Haushalt zu kümmern? Sandra verweigert sich auch im Bett. Sie sagt ihm, dass sie müde ist und keine Lust hat. Er versteht das nicht. Warum ist sie doch so anders als früher?
Hilfe! Was jetzt?
Die Dynamik von Paaren ist natürlich eine komplexe Angelegenheit. Wie Paare ihre Liebe erhalten und schwierige Situationen meistern -und da gehören Übergangssituationen wie der Anfang der Elternschaft sicher dazu- sind Gegenstand vieler Forschungen. Im Rahmen dieses Artikels kann das Thema nur praktisch, kurz und bündig besprochen werden. Dabei beziehe ich mich unter anderem auf die Ausführungen von John und Julie Gottman (2007) und Susan Johnson (2008/2014).
1. Lösen Sie Ihre Konflikte
Meinungsverschiedenheiten, Unzufriedenheit und Streitigkeiten sind ganz normal in Beziehungen. Sie sind nicht zu vermeiden. Wenn die Partner in der Lage sind, sie so zu reparieren, dass sie zu mehr Verständnis führen, dann ist ja alles in Ordnung. Nur leider passiert oft das Gegenteil: Es kommt zu noch mehr Streit mit immer höherer emotionaler Ladung, die Anlässe werden immer geringfügiger, die inneren Bilder über den Anderen immer negativer. Oder es kommt zu immer mehr Distanz. Die Partner ziehen sich emotional zurück, resignieren, suchen ihr Heil in Aktivitäten ohne den Anderen, sprechen nicht mehr miteinander, Friedhofsruhe tritt ein.
Nicht immer, aber sehr oft, sind es vor allem Männer, die in Zeiten eines dünnen Bandes zwischen den Partnern die Rolle des ‚Rückzüglers‘ einnehmen. Paul beschreibt das so: „Immer wenn Sandra sauer auf mich ist, komme ich irgendwie in Stress. Ich kann das nicht ertragen, vor allem wenn sie mir Vorwürfe macht und mich kritisiert. Ich fange dann erst an, mich zu rechtfertigen: ‘Kriegst du eigentlich gar nicht mit, was ich hier alles für dich mache?‘ und dann sage ich ihr, dass sie völlig übertrieben emotional reagiert. Irgendwann reicht es mir dann und dann gehe ich weg. Ich gucke dann Fernsehen oder gehe joggen. Innerlich bin ich dann die ganze Zeit damit beschäftigt, was ich machen soll.“ Von außen sieht es so aus, als ob Paul die Ruhe selbst ist. Das ist auch, was Sandra denkt. Sie fragt sich, wie er so kühl sein kann. Objektiv gesehen ist er allerdings alles andere als kühl. Untersuchungen zeigen, dass Männer in diesem Zustand in höchstem Stress sind. Der emotionale Rückzug ist eigentlich ein Versuch, sich zu regulieren und vor den Angriffen der Frau zu schützen.
Sandra reagiert, wie viele Frauen, mit einem anderen Reaktionsmuster auf das dünne Band zwischen ihr und ihrem Mann. Sie übernimmt die Rolle des ‚Anklägers‘. Sie erzählt: „Wenn Paul so distanziert ist und von oben herab mit mir spricht, dann ist das für mich wie ein rotes Tuch. Dann werde ich echt sauer. Ich kann dann gar nicht mehr aufhören, auf ihn einzureden. Dann mache ich ihm Vorwürfe (‚Dich interessiert scheinbar gar nicht, wie es mir geht‘) , gebe ihm Stiche unter die Gürtellinie (‚Das hätte ich echt nicht gedacht, dass Du so gefühllos bist) und sage ihm, dass ER das Problem ist (‚Wenn Du nicht ständig Dein eigenes Ding machen würdest, dann brauchte ich auch nicht sauer zu werden‘).“ Auch Sandra ist in Stress. Sie wundert sich über sich selbst. So giftig ist sie doch sonst gar nicht! Wenn man genauer hinschaut wird deutlich, dass der ‚Ankläger‘ eigentlich in höchster Not versucht, zu ihrem Partner durchzudringen. Eigentlich will sie wieder echten Kontakt mit Paul. Sie tut das allerdings auf eine Art und Weise, die von Wut und Kritik durchsetzt ist. Die Tragik ist, dass sie ihn damit nicht erreicht.
Beide Partner sind gefangen in einem kalten Dialog, einem Dialog, der das Band zwischen ihnen nur noch dünner macht. Keiner von beiden will das, aber keiner kennt den Weg aus der Spirale nach unten. Hilfreich wäre es, wenn sie verstehen, dass sie beide zu diesem Konflikt beitragen. Dass sie in einer Dynamik verstrickt sind und da nur herauskommen, wenn sie beide bereit sind, sich ihren Anteil daran anzusehen. Es ist auch wichtig zu verstehen, dass diese Dynamik mit heftigen Gefühlen einhergeht. Viele Menschen denken, dass ‚Konflikte lösen‘ etwas Rationales ist: Man sollte darüber in Ruhe und auf erwachsene Art sprechen, über die verschiedenen Bedürfnisse verhandeln, sich einigen oder Kompromisse machen. Leider funktioniert das nicht, wenn die emotionale Ladung im Gespräch hoch ist. Dann geht es eigentlich nicht um den Inhalt des Gesprächs, sondern um die Emotionen, die sich dahinter verbergen.
Die ‚echte‘ Lösung ist, wenn die Partner es schaffen, über die Gefühle zu sprechen, die durch das Verhalten des Partners oder die Situation in ihnen ausgelöst werden. Dabei sind nicht die Gefühle von Ärger gemeint, die sind meistens nicht besonders verborgen. Es geht um die weicheren Gefühle dahinter. Mal sehen, was Sandra darüber zu Paul sagt: „Wenn Du mir so abweisend vorkommst, dann fühle ich mich eigentlich richtig verzweifelt. Ich fühle mich dann allein und ziemlich einsam. Ich habe dann Angst, dass Du mich eigentlich nicht mehr magst. Das ist schrecklich für mich. Ich brauche Dich so. Gerade jetzt, mit Lars. Ich fühle mich durch die Situation manchmal überfordert. Und dann denke ich, dass ich vielleicht keine gute Mutter bin und dann komme ich noch mehr in Stress. Es passiert so wahnsinnig viel in mir. Bitte nimm mich in den Arm, wenn ich mich so fühle. Dann fühle ich wieder das Band zu Dir und dann ist alles gut.“ Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Paul gerne auf ihre Bitte eingeht. Sandra spricht nämlich über sich und ihre emotionale Befindlichkeit, sie zeigt ihm ihre weiche, verletzliche Seite. Dann ist es für ihn viel leichter, sich zu öffnen und auch weich zu werden.
Jetzt spricht Paul über seine tieferen Gefühle: „Wenn Du ärgerlich auf mich bist, triffst Du auf einen Schmerzpunkt bei mir. Ich muss sofort an meine Mutter denken. Wenn sie ärgerlich auf mich war, hat sie auf mich eingeschrien. Das war unerträglich für mich, ich fühlte mich total falsch. Auch wenn Du ärgerlich bist, fühle ich mich eigentlich gleich schuldig. Ich denke dann, dass ich in Deinen Augen versage, dass ich Dir kein guter Mann und Lars kein guter Vater bin. Ich sehe auch, wie nahe Ihr Euch seid. Ich fühle mich dann irgendwie unwichtig. Ich habe nichts zu melden. Ich finde es gar nicht so einfach, Dir das zu sagen. Irgendwie ist es einfacher, dicht zu machen und das alles zu vergessen. Das schlimmste wäre, wenn Du mich aus Wut verlassen würdest. Was ich eigentlich brauche ist, dass Du mir sagst, dass ich wichtig für Dich und Lars bin.“ Sandra nimmt seine Hände in ihre und sagt ihm, dass sie gar nicht wusste, dass das alles in ihm vorging und dass er total wichtig für sie ist. Und dass sie glücklich ist, dass er Lars Papa ist.
Unser idealtypisches Paar kann über seinen eigenen Schatten springen, kann tiefere, weiche Gefühle wahrnehmen und sie äußern und sich sogar trauen, verletzliche Bedürfnisse zu äußern. Wenn Ihnen das ein wenig fremd vorkommt, ist das verständlich. Beginnen Sie damit, sich darüber klar zu werden, dass Ihre Reaktion verständlich ist, sie beide gemeinsam ungewollt in einer Dynamik gelandet sind und die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass sie beide da so schnell wie möglich wieder heraus wollen. Üben Sie sich darin, ihre eigene Gefühlswelt kennenzulernen und sie mit Ihrem Partner zu teilen. Wenn Sie Ihre weichen Gefühle anvertrauen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Ihr Band sich sehr schnell stabilisiert. Seien Sie sich auch dessen bewusst, dass Sie beide in einer sehr verletzlichen Lebenssituation sind, die das stärkste Band unter Druck setzt: Sie sind dabei zu lernen, wie Sie Eltern und gleichzeitig Liebespartner sein können. Das ist ein langer Prozess und braucht Geduld.
Noch ein Tipp: Tragen Sie Ihre Konflikte nicht vor dem Baby aus. Es ist zu klein, um das verarbeiten zu können. Wenn Sie es allerdings schaffen, Ihre weichen Gefühle zu teilen, wird Ihr Baby sich entspannen.
2. Erhalten Sie Ihre Freundschaft
Die Grundlage einer starken, langfristigen Beziehung ist das Gefühl von Freundschaft: Das Gefühl, Interesse füreinander zu haben, die innere Welt des Partners kennenlernen zu wollen, zu wissen, wer der Partner eigentlich ist - und natürlich auch die Bereitschaft, über sich selbst und das, was in einem vorgeht, zu sprechen und sich anzuvertrauen. Beides ist gar nicht so selbstverständlich. In langfristigen Beziehungen denken wir oft, dass wir den Partner gut kennen. Wir vergessen aber, dass jeder Mensch sich im Laufe der Zeit und mit den Lebensumständen weiterentwickelt. Das ist besonders evident in Zeiten von Übergängen, wie dem Beginn der Elternschaft. Denn in diesen Zeiten verändern sich beide Partner besonders stark. Damit Sie einander nicht verlieren, ist es in diesen Perioden besonders wichtig, im Gespräch zu bleiben. Und das schaffen Sie, indem Sie sich wirklich für die Welt Ihres Partners interessieren und Fragen stellen! Und zwar offene Fragen (also Fragen, die nicht mit Ja oder Nein beantwortet werden). Hier kommen ein paar Beispiele: Wie hat sich aus Deiner Sicht unsere Beziehung verändert, seit das Kind da ist? Wie fühlst Du Dich damit, dass Du jetzt Mutter/ Vater bist? Was könnten wir tun, damit wir mehr Entspannung im Leben haben? Wie stellst Du Dir unser Leben in zwei Jahren vor? Was war für Dich die schönste Zeit in unserer Beziehung? Gibt es etwas, wonach Du Dich sehnst? Was ist für Dich als Mutter/Vater die größte Herausforderung? Was sind die größten Stressfaktoren für Dich? Wie kann ich Dir ein besserer Partner/eine bessere Partnerin sein?
Fragen stellen bedeutet natürlich auch ‚Zuhören‘: Raum geben, ausreden lassen und ein offenes Ohr für Neues und Unerwartetes zu haben. Heißen Sie Ihren Partner in seinem oder ihren Anderssein willkommen. Üben Sie sich in Akzeptanz und passen Sie Ihr Bild von Ihrem Partner hier und da ein bisschen an. Einem Paar, das bereit ist, sich immer wieder neu kennenzulernen, wird es nie langweilig. Übrigens zeigen Forschungen, dass das Sexleben von Paaren, die ihre Freundschaft diese Art pflegen, lebendiger und befriedigender ist.
3. Geben Sie einander positive Aufmerksamkeit
Jede langfristige Beziehung braucht Aufmerksamkeit. Und zwar Aufmerksamkeit, die Ihre emotionale Verbindung stärkt und erhält: Zeigen Sie Ihrem Partner Ihre Zuneigung, zollen Sie Anerkennung dafür, wie viel er oder sie zu Ihrem Alltag und Zusammenleben beiträgt, äußern Sie Bewunderung und Dankbarkeit. Das heißt auch: Sie richten Ihre Aufmerksamkeit besonders gerne auf das, was in Ihrer Beziehung gut läuft und betonen das Positive. Und: Sie reagieren auf die Kontaktangebote Ihres Partners mit Interesse und Zuwendung. Natürlich gelingt das nicht immer. Das ist auch nicht ausschlaggebend. Es sind nämlich die kleinen, alltäglichen Gesten, die wirkungsvoll sind: eine kleine, freundliche Berührung, ein „Danke, dass Du das für mich besorgt hast“, ein „Hat gut geschmeckt!“ oder: „Schau mal, wie begeistert der Kleine von Dir ist!“ Das Grundprinzip ist positive Aufmerksamkeit füreinander. Die Wirkung ist verblüffend: positive Aufmerksamkeit schafft mehr positive Aufmerksamkeit. Sie baut ein dickes Polster auf, das Schwierigkeiten und Stress abfedern kann. Auch bei Konflikten verlieren Sie dann nicht den Zugang zu positiven Gefühlen für Ihren Partner.
4. Bauen Sie an Ihrem WIR-Gefühl
Gerade für Paare, die die ersten Schritte in die neue Lebensphase ‚Elternschaft‘ setzen, ist es wichtig, sich bewusst zu sein, dass sie jetzt eine Familie sind: ein WIR und nicht nur zwei Individuen. Das bedeutet: Sie sind ein Team. Sie arbeiten zusammen, Sie nehmen Rücksicht auf Ihren Partner und Sie sind bereit, Ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen. Denn es ist Ihnen auch ein Bedürfnis, dass Ihr Partner und Ihr Kind glücklich und zufrieden sind. Dazu kommt: Sie bauen gemeinsam eine Familie. Aus zwei Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, Wünschen und Zielen, verschiedenen Erfahrungen in ihrer Ursprungsfamilie, verschiedenen Traditionen, Normen und Werten, manchmal sogar verschiedenen Kulturen wird eine neue Familie. Schaffen Sie diese neue Familie ganz bewusst: Denken Sie zusammen darüber nach, wie Sie Ihr Kind erziehen, wie Sie die Rollen in Ihrer Familie verteilen, den Kontakt mit den Eltern, Verwandten und Freunden gestalten, wie Sie Ihre Wohnung einrichten, mit Geld umgehen, Ihre Ferien verbringen und Ihre Feste feiern wollen. Langsam entsteht dann IHRE Familie, Ihre besondere, einzigartige Familie, in der Sie sich wohlfühlen und Ihr Kind sein Zuhause findet.
5. Geben Sie Ihrer Sexualität Aufmerksamkeit
Sex ist für viele junge Elternpaare ein heißes Eisen! Sexuelle Bedürfnisse verändern sich nämlich ziemlich radikal mit der Elternschaft. Besonders für die Frau. Vergessen Sie nicht: die Frau ist mit der Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes hormonell und emotional vor allem auf die Betreuung des Kindes ausgerichtet. Es liegt in der Natur der Sache, dass sie für die Mutter die größte Priorität hat, denn das Kind ist verletzlich und braucht es, eine Weile ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Das ist nicht immer zu vereinbaren mit leidenschaftlichem Sex und heißen Lustgefühlen. Sandra erzählt: „Seit der Geburt von Lars bin ich total beschäftigt. Im Grunde Tag und Nacht. Wenn ich schlafen will, will ich vor allem schlafen. Ich bin müde. Es wird ein Problem zwischen Paul und mir. Er will Sex und ich sage ‚Nein‘. Ich merke, wie mir das einerseits schwer fällt, ich will ihn eigentlich gar nicht zurückweisen, andererseits werde ich immer saurer: ‘Er denkt nur an sich und seinen Orgasmus und wie es mir geht, ist ihm ganz egal.‘ Und manchmal denke ich: ‚Eigentlich verstehe ich das Ganze nicht. Unserer Sexleben war früher doch toll und total befriedigend für mich. Ist irgendwas nicht in Ordnung mit mir oder mit unserer Beziehung?“ Auch Paul fühlt sich in Stress: „Wenn Sandra ‚Nein‘ sagt, ist das hart für mich. Ich kann dann nicht denken: ‚Na ja, es ist ja klar, dass sie müde ist‘. Ich denke: ‚Jetzt wo sie den Kleinen hat, braucht sie mich nicht mehr. Meine Aufgabe ist scheinbar erfüllt.‘ Ich fühle mich abgelehnt, ungewollt, scheinbar bin ich nicht mehr der attraktive Mann, der ich einmal für sie war. Ich bin so enttäuscht. Ich mache zu und ich ziehe mich lieber zurück.“
Für die Mehrheit der Paare gilt: Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Häufigkeit und der Befriedigung sexueller Kontakte ‚vor‘ und ‚nach‘ dem Baby. Männer haben viel öfter Lust auf Sex als junge Mütter. Sie erleben mehr Orgasmen und fühlen sich sexy, die Frauen meistens eher weniger. Diese Unterschiede können die Beziehung ziemlich unter Druck setzen. Wenn sie auch noch zu Missverständnissen und gegenseitigen negativen Zuschreibungen führen, dann kann die Beziehung in eine negative Spirale geraten.
Paare, denen es gelingt, die ‚Nach- dem-Baby‘-Durststrecke zu überbrücken, haben ein paar gute Ratschläge für Sie!
Akzeptieren Sie, dass die sexuelle Beziehung jetzt anders ist als ‚vor dem Baby‘. Seien Sie sich dessen bewusst, dass diese Veränderung ganz ‚normal‘ ist und sicher kein Zeichen von sexuellen Problemen oder mangelnder Liebe und Leidenschaft. Interpretieren Sie die sexuelle Flaute als Teil Ihrer Elternschaft und bleiben Sie auch dabei ein Team.
Organisieren Sie Raum und Zeit für Ihre intime Beziehung. Für die meisten Paare gilt: Eine befriedigende sexuelle Beziehung fördert das Gefühl der emotionalen Verbundenheit und Liebe. Auch in weniger sexuellen Zeiten lohnt es sich, dem intimen Kontakt zwischen Ihnen beiden Aufmerksamkeit zu schenken. Lust braucht -besonders bei Frauen- Zeit und Raum. Die Idee, dass Lust nur dann ‚richtig‘ ist, wenn sie spontan da ist, ist alles andere als hilfreich. Organisieren Sie sich darum Zeiten zu zweit. Irgendwann können Sie Ihr Baby für eine Weile durchaus einem Babysitter anvertrauen! Sprechen Sie über Sex und Intimität. Tauschen Sie sich aus über Ihre Wünsche, was Sie anmacht und Ihnen gut tut und was nicht. Und wenn es Konflikte bezüglich Sex gibt, bringen Sie sie in Kontakt und sprechen Sie dabei über Ihre Gefühle.
Halten Sie sich fest, berühren Sie einander liebevoll! Berührung ist für die meisten Menschen ein Grundbedürfnis. Sie lässt uns entspannen und uns angenommen und geliebt fühlen. Nicht-sexuelle Berührungen werden von vielen Paaren ‚nach dem Baby‘ als angenehm erlebt. Sie sorgen dafür, dass die körperliche Verbindung erhalten bleibt. Sie sind wie eine erfrischende Brise in Zeiten sexueller Flaute.
Viele positive Erfahrungen miteinander erhalten Ihre sexuelle Freundschaft! Wie oben schon erwähnt: Kleine Gesten liebevoller Aufmerksamkeit machen, dass auch die Lust aufeinander zunimmt. Falls Sie es noch nicht wussten: Frauen funktionieren im Allgemeinen sexuell mehr wie ein Ofen, der langsam vorgeheizt werden will. Männer eher wie ein Lötkolben, der in kürzester Zeit heiß wird. Ein Tipp für die Männer: Das beste Vorspiel fängt im Alltag an: Seien Sie freundlich zu ihr, geben Sie ihr Komplimente (statt sie daran zu erinnern, dass sie doch wieder abnehmen sollte), nehmen Sie Ihr Aufgaben ab, loben Sie Ihre mütterlichen Fähigkeiten! Ein Tipp für Frauen: Zeigen Sie und sagen Sie Ihrem Mann, dass er sehr wichtig für Sie ist, dass Sie stolz auf ihn sind und dass Sie ihn sehr attraktiv finden, auch wenn Sie nicht immer Lust auf Sex haben.
6. Geben Sie Raum für warme Vaterschaft
Mütter haben gegenüber Vätern eine Menge Vorteile: Sie haben das Kind in ihrem Bauch getragen, es geboren und sie können stillen. Wenn sie am Anfang der Elternzeit ihrem Mann nicht Raum geben, dann hat er wenig Chancen, eine unbelastete Beziehung zum Kind zu entwickeln. Besonders kompliziert wird es, wenn die Beziehung der Eltern konflikthaft ist und unter Druck steht. Dann wird die Frau die Tendenz haben, den Vater eher auf Abstand zu halten. Der Vater fühlt sich nicht akzeptiert und wird seinerseits die Tendenz haben, sich zurückzuziehen und sein Heil mehr außerhaus zu suchen. Damit beginnt eine bedenkliche Entwicklung, denn der Mann, der sich von seiner Frau zurückzieht, hat erfahrungsgemäß auch die Neigung, sich von seinem Kind zurückzuziehen!
Glücklicherweise wollen Väter heutzutage bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder einbezogen sein. Das beginnt schon zu Babyzeiten. Warme Vaterschaft von Vätern (oder Vaterfiguren), die feinfühlig sind für die Gefühle und Bedürfnisse ihres Kindes, ist gut für die Beziehung zur Partnerin und wichtig für den Aufbau der Bindung zum Kind. Väter haben einem Baby auch eine Menge zu bieten: Mindestens über ihre Stimme sind sie ihrem Kind schon von der Schwangerschaft her vertraut. Sie sind anders und es ist lustig mit und bei ihnen. Ihr Spiel ist körperlich und auf Berührung ausgerichtet, sie fordern das Kind heraus. Sie bieten dem Kind mehr Möglichkeiten, Dinge auszuprobieren, Mütter dagegen haben eher die Tendenz, Schutz zu bieten und vorsichtiger zu sein. Forschungen zeigen, dass Kinder die im 4. Lebensjahr einen emotional engagierten Vater hatten, im Alter von 8 Jahren mehr soziale Kompetenzen aufwiesen.
7. Freuen Sie sich zusammen über Ihr Kind
Das Glück, zusammen ein Kind auf seinem Lebensweg zu begleiten, verbindet Sie beide in ganz besonderer Weise. Sie gehen nicht nur als Liebespartner ein Bündnis ein, sondern auch als Elternteam. Eine starke Kombination! Wenn Sie sich gemeinsam über Ihr Kind freuen, dann üben Sie Ihre Kompetenzen als Eltern, Ihre Fähigkeit zu staunen, für Neues bereit zu sein und insbesondere üben Sie sich in der sich ständig wandelnde Beziehung zwischen Ihnen dreien. Welch ein Geschenk! Schon Ihr Baby kann ein Lehrmeister für Sie sein. Es kennt Sie beide schon neun Monate lang und reagiert auf Sie in der Hoffnung auf Ihre feinfühlige Antwort. Das Baby ist wahrlich kompetent und jetzt schon ein Beziehungskünstler. Es schafft es, dass Sie mit einer hohen Stimme zu ihm sprechen und Ihre Worte akzentuieren, weil es dann Ihre Sprache besser lernen kann. Es schafft es auch, dass Sie es anlächeln, Witze machen oder empathisch und ‚traurig ‘ reagieren, wenn es ihm nicht gut geht. Es lebt aus seiner Mitte, ohne Vorstellungen über ‚richtig‘ oder ‚falsch‘, die uns Erwachsenen das Leben manchmal so schwer machen. Es zeigt Ihnen, wie es ist zu vertrauen und gleichzeitig verletzlich und stark zu sein. Es bindet sich ohne Netz und doppelten Boden an Sie, es liebt Sie mit jeder Zelle seines Wesens. Welch ein Reichtum, dies zusammen zu erleben.
Eine sichere Partnerschaft ist ein Geschenk an Ihr Kind
Eine sichere Partnerschaft ist das größte Geschenk, das Sie Ihrem Kind machen können. Denn Eltern, die ein liebevolles Team bilden, sind bessere Eltern: Ihre Beziehung ist stabiler, sie sind kooperativer, flexibler und kompromissbereiter und schaffen es leichter, unterschiedliche Erziehungsstile unter einen Hut zu bekommen. Sie bieten dem Kind ein Fundament emotionaler Sicherheit. Sie lösen Konflikte leichter und belasten das Kind deshalb nicht zu viel mit Ihren Problemen. Sie bieten dem Kind ein Vorbild für liebevolle Beziehungen, für den Umgang mit Nähe und Selbstständigkeit, den Kontakt zwischen den Geschlechtern. Und sie helfen dem Kind eines Tages, sich von Ihnen zu lösen, das eigene Leben zu leben, einen liebevollen Partner zu finden und wiederum eine Familie zu gründen: die Geburt von Ihnen als Großeltern! Und so sind Sie Teil des Kreislaufs des Lebens.
Copyright: Ingeborg Weser
Literatur:
Gottman, J.; Schwartz Gottman, J. (2007): And Baby Makes Three. The Six-Step Plan for Preserving Marital Intimacy and Rekindling Romance after Baby Arrives. New York: Three Rivers Press.
Johnson, S.M. (2011): Halt mich fest. Sieben Gespräche zu einem von Liebe erfüllten Leben. Paderborn: Junfermann.
Johnson, S. (2014): Liebe macht Sinn. Revolutionäre neue Erkenntnisse über das, was Paare zusammen hält. München: btb.
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